»Das Gerücht geht, daß Gerlach ermordet ist. ›Volkszeitung‹ und Friedensgesellschaft läuten bei mir an. Gerlach ist gestern abgereist, nichts festzustellen. Wahrscheinlich ist das Gerücht nur eine Ausgeburt der äußersten Nervosität, die herrscht. Eine Mordatmosphäre, etwas Unheimliches, Ungreifbares drückt auf alle wie die heutige Gewitterschwüle.
Ich frühstückte bei Hesnard mit Haguenin, Hilferding, Georg Bernhard. Der katastrophale Fall der Mark seit Rathenaus Ermordung (von etwa dreihundert auf heute vierhundertvierzig) macht auch den Franzosen schwere Sorgen. Sie sehen ein, daß ein weiteres Fallen die Reparationszahlungen unmöglich machen würde und daß die bisherige französische Politik an diesem Sturz einen Teil der Schuld trägt. Poincaré selbst, der eine schwache, unentschlossene Natur sei, die sich in Blut hüllt, um stark zu scheinen, scheint nicht mehr so ganz sicher zu sein, daß sein Weg der richtige ist. Trotzdem protestiert er gerade jetzt wieder gegen die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund!
Abends Tollers ›Maschinenstürmer‹ im Großen Schauspielhaus. Talentloser Kitsch, der die Tendenz, die er vertritt, nur kompromittieren kann, ebenso wie die talentlose, kitschige Münchener Räterepublik den republikanischen Gedanken in Bayern kompromittiert hat.«