Wilhelm von Humboldt

»Ich habe Deinen lieben Brief vom 19. bekommen, geliebtes Herz. Der Erbprinz, dessen Äußerungen über Deutschland Du sehr recht hast, hübsch zu finden, wird vielleicht mit diesem Briefe schon selbt bei Dir sein. Seine Gesinnung ist immer tadellos, aber die Jugend gab ihm ehemals eine liebenwürdige Lebendigkeit, die jetzt fast auf die Gestikultion eingeschränkt ist.

Allerdings ist es eine trostlose Idee, daß es kein Deutschland geben sollte. Du hast aber sehr recht, zu sagen, daß es ein unsichtbares gibt, und ich glaube wie Du, daß es in kurzem ans Licht treten wird, aber schwerlich auf dem Wege, den man ihm vorbereitet. (…)

Friedrich Wilhelm von Schadow: Karl August von Hardenberg (1812)

Friedrich Wilhelm von Schadow: Karl August von Hardenberg (1812)

Der Verderb liegt in Deutschland und in allen Deutsch redenden Ländern in der undeutschen Art der höchsten Klassen, in dem furchtbaren und elenden Wesen, das man Gesellschaft nennt, in der schlaffen, nicht einmal sich wahrhaft auf Genuß verstehenden Üppigkeit der Lebensart, in der gräßlichen Leere des Kopfes und des Herzens. In Preußen hat das Unglück mehr Volksmäßigkeit und Einfachheit hervorgebracht, und ein besonders glückliches Schicksal gemacht, daß der König und seine Familie denselben Sinn hat. Dazu kommt der Staatskanzler, der darin wie in allen Eigenschaften, die das Wesen des Charakters treffen, untadelhaft ist. Allein darum ist auch Preußen, wie das gute und böse Prinzip, in beständigem Streit mit den übrigen Höfen, und kommt wieder (nämlich als Regierung) in Streit mit seinem eigenen Volk, weil es in jenem Streit gar nicht anders kann als oft oder wenigstens manchmal nachzugeben.«

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