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Fredrika Bremer

26. Oktober 1850

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26. Oktober 1850

»Gestern war ich mit meinen freundlichen Wirthsleuten drüben auf dem Territorium der Indianer, in der Nähe des Fort Snelling, eines festen Platzes, den die Amerikaner hier angelegt und mit Militär, Fußvolk wie Reiterei, besetzt haben, um die Indianer in Respect zu erhalten. (…)

John Caspar Wild: Fort Snelling (1844)

John Caspar Wild: Fort Snelling (1844)

Ich war sehr neugierig, das Innere dieser Zelte oder Tepees zu sehen, deren Rauch und Feuer ich schon so oft gesehen hatte. Und als ich bald darauf, nachdem ich das indianische Territorium betreten hatte, vier recht ansehnliche Tepees zu Gesicht bekam, eilte ich, dieselben zu besuchen. Der Gouverneur Ramsay und ein Dolmetscher, der seiner Wohnung nicht weit davon hatte, begleiteten mich. Ich richtete meine Schritte nach dem größten von diesen Zelten. Drei magere Hunde waren mit Stricken an den Zeltstangen festgebunden. (Die Indianer verzehren ihre Hunde, wenn ihnen andere Nahrung fehlt.) Wir öffneten das Leder, welches die Thür vorstellen sollte. Ich hatte erwartet, Schmutz und Armuth darin zu finden, und war nicht wenig überrascht, eine Art von orientalischem, wiewol grobem Luxus und Wohlbehagen zu sehen.

Es brannte ein Feuer mitten auf dem Fußboden des Zeltes, welches sehr geräumig und mit Büffelhäuten bedeckt war. Am Feuer saßen zwei Männer, mit Strichen und Figuren im Gesicht bemalt, und schnitten Pfeifen aus einer dunklen blutothen Steinart. Rings um die Wände des Zeltes saßen Frauen und Kinder auf Kissen, von denen mehre prächtig ausgenäht und auf weiße Filzdecken gelegt waren. Einige von den Frauen waren geschminkt, indem sie einen großen rothen Fleck auf jedem Backen und auch die Stirn roth bemalt hatten. Mit ihren lebhaften dunklen Augen und ihren zurückgestrichenen Haaren sahen sie, bei dem Schein der tanzenden Flammen des Feuers, recht hübsch und belebend aus. Zwei von ihnen machten mir Platz, um mich zwischen sie zu setzen. Die alten Frauen lachten und schwatzen und schienen sehr ungenirt zu sein.«

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17. Oktober 1850

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17. Oktober 1850

»Sonnenhell, aber kalt. Wir haben (zur Linken) indianisches Gebiet auf unserem ganzen Wege; es ist das Territorium Minnesota, und wir sehen am Ufer die Indianer in größeren und kleineren Lagern. Die Männer stehen oder gehen herum, in rothe oder weißgelbe Decken gehüllt; die Frauen sind am Feuer innerhalb oder außerhalb der Zelte beschäftigt oder tragen ihre kleinen Kinder auf dem Rücken, eingewickelt in den gelben Filz, der sie selbst umhüllt. (…)

Wir haben jetzt auch mehre Indianer an Bord, eine Familie Winnehagoes, Mann, Frau, Tochter (ein Mädchen von sechzehn Jahren), und zwei junge Krieger aus dem Siouxstamm, mit prächtigen Federn geschmückt und roth und gelb, ja, ich glaube mit allen Farben bemalt, sodaß es köstlich ist. (…) Die jungen Siouxkrieger sehen aus wie eine Art von großen prächtigen Truthähnen; sie blähen sich auf und sehen sehr hochmüthig aus; dann und wann kriechen sie aber zusammen, hocken beieinander wie Affen und schwatzen miteinander mit gelenker Zunge, wie nur ein paar Kaffeeschwestern schwatzen können. (…)

Karl Bodmer: Indianerlager am Missouri (um 1840)

Karl Bodmer: Indianerlager am Missouri (um 1840)

Sioux-Krieger (1872)

Sioux-Krieger (1872)

Heute Nachmittag sollen wir St.-Paul erreichen, das Ziel unserer Reise und die nördlichste Stadt am Mississippi. Es ist mir verdrießlich, diese Reise so bald beendigt zu sehen; ich wünschte, daß diese Fahrt auf dem Mississippi mindestens acht Tage dauern könnte. Sie unterhält und interessiert mich unbeschreiblich. (…) Dazu kommt noch, daß ich dies Alles wegen der vortrefflichen amerikanischen Einrichtungen für die Passagiere der Dampfboote in Frieden und Freiheit genießen kann. Sie sind gewöhnlich dreideckig. Das mittelste Deck wird hautpsächlich von Passagieren eingenommen, die, um ihre Bequemlichkeit zu genießen, einen höheren Preis als die andern bezahlen. Rings ums dieses Deck zieht sich eine breite Galerie (oder Piazza), die von dem obern Deck überschattet ist, und innerhalb dieser Piazza sind die Zimmer der Passagiere rings um das ganze Boot befindlich. Jedes Zimmer hat eine Thür mit Fenstern nach der Galerie, sodaß man beliebig auf diese letztere treten oder auch von seinem Zimmer aus die Ufer betrachten kann. Dieser Thür gegenüber führt eine andere Thür in den Salon. Der Salon im hintern Theil des Schiffes ist stets für die Frauenzimmer bestimmt und rings herum sind die Zimmer für dieselben; der ander größte Salon, welcher zugleich als Speisesaal dient, ist das Versammlungszimmer der Herren. Jedes kleine Zimmer, welches "State room" genannt wird, hat gewöhnlich zwei Betten, eins über dem andern. (…) Diese Zimmer sind stets weiß ausgemalt, sauber, hell und behaglich; man kann sich darin, auch am Tage, ganz bequem aufhalten. Der Tisch ist gewöhnlich gut und reichlich, und der Reiseaufwand verhältnißmäßig gering. (…)

Wir sehen jetzt an den Ufern keine Spur von europäischer Cultur mehr, nur indianische Hütten und Feuer. Die Ufer des Lake Pepin werden immer niedriger und die Natur zeigt sich immer weniger großartig.«

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15. September 1850

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15. September 1850

Fredrika Bremer

»Hier, an dem südöstlichen Ufer des Lake Michigan, sitzt jetzt deine Schwester, meine liebe Agathe, aber nicht auf dem sandigen Ufer, sondern in einer schönen Villa, im italienischen Stil erbaut, mit korinthischen Säulen, von schönen Bäumen und Blumen umgeben.

Auf dem Markt von Buffalo, mitten unter Pferden, Wagen und Menschen, handelnd, wandelnd, hierhin und dorthin reisend, unter Koffern und Gepäck aller Art, Gedränge und Hast, schied ich von meinen jungen Freunden, die mir lieb und theuer geworden waren, fast wie Geschwister. (...) Ich sah sie nicht mehr und wurde aus dem Gedränge auf dem Markte in ein Hôtel hinaufgeführt, von einem alten Ehrenmanne, unter dessen Schutz ich meine Reise fortsetzen sollte, von einem gewissen Judge Boed, der mich am Niagara aufgesucht hatte und mit einen Empfehlungsbrief von Mr. Ellesworth überbrachte. (...)

In dem Hôtel zu Buffalo wurde ich von einigen neuen Bekannten mit den alten langweiligen Fragen gequält: - "How do you like Amerika? - How do you like the States? Does Buffalo look according to your expectations?" - Auf diese letztere Frage antwortete ich, daß ich nichts von Buffalo "expected" habe.

Gegen Abend ging ich an Bord von "the Ocean", einem stattlichen Dreieckerdampfschiffe, das mich über den Lake Erie brachte, dessen Wellen oft recht stürmisch und gefährlich sind, gegenwärtig aber Najaden glichen, die im Sonnenschein spielen. (...) Ueber den Erie ziehen Auswanderer von allen Völkern, die jetzt ihre Hütten westlich von den großen Binnenseen aufschlagen. Aber für viele von ihnen wird der Erie ein Grab. Neulich gerieth auf dem Erie ein Schiff in Brand, voll von Auswanderern (meistens Deutsche), und Hunderte von diesen Armen Auswanderern fanden in den Wogen ihr Grab. Untern denjeniegen, welche todt aus dem Wasser gezogen wurden, befanden sich sieben oder acht Paare, die einander umfaßt hielten. (...) Der Steuermann stand am Steuerruder und steuerte das Schiff nach dem Lande zu, bis das Feuer seine Hände ergriff. Die Nachlässigkeit des Capitäns soll Schuld an diesem Unglücksfalle gewesen sein. Der Capitän selbst verlor sein Leben und nur dreißig bis vierzig Passagiere konnten sich retten.«

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25. Juli 1850

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25. Juli 1850

Dorothea Lynde Dix

Dorothea Lynde Dix

»Ich bin hier als Gast mit Miß Dix zusammen auf meinem Wege nach Philadelphia in der Familie des Generals Stuart. Mein Wirth ist ein lebhafter, gemüthlicher, artiger und gesprächiger Soldat, seine Frau ist ein schönes stilles Weib, eine glückliche Mutter von zehn noch jungen Kindern; augenscheinlich ein glückliches Ehepaar, ein gutes und glückliches Haus! (...)

Spät Abends saß ich im allerschönsten Mondschein allein mit Miß Dix auf dem Altan in General Stuart's Villa, blickte hinaus auf den glänzenden Fluss, auf die breite Chesapeakbai und hörte der Erzählung ihrer einfachen und doch merkwürdigen Lebensschicksale zu. (...) Miß Dix ist während ihrer zwölfjährigen Wirksamkeit als guter Engel der Gefangenen und der Wahnsinnigen durch die meisten Staaten der Union gereist, in Gegenden und an Orten eingdrungen, die früher vor den Blicken des Lichts verborgen waren, und hat Botschaft des Lichts und der Hoffnung zu Denen gebracht, die im Dunkeln saßen. (...) Sie ist einer der schönsten Beweise von Dem, was ein Weib ohne irgend eine andere Stütze, als ihren persönlichen Willen und Charakter, ohne eine andere Macht, als ihren Zweck und ihr Recht und ihre Fähigkeit, Beides darzustellen, im Staate vollbringen kann. Ich bewundere sie, ich bewundere namentlich ihren Muth und ihre Ausdauer.«

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10. Juli 1850

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10. Juli 1850

Fredrika Bremer

»Gestern (am neunten Juli) saß ich im Sessionszimmer des Senats und hörte geduldig (oder vielmehr ungeduldig), einer langen und langweiligen Proslaveryrede des Senators von Südcarolina, Judge Butler, zu, als eine plötzliche Bewegung, wie von einem lautlosen elektrischen Schlage, in der Versammlung entstand. Eine Menge neue Personen kamen durch die Hauptthüren herein und mit einem mal sah man Daniel Webster dicht neben dem redenden Senator stehen (...).

Der Redner verbeugte sich und schwieg; es wurde totenstill im Saale und alle Blicke richteten sich auf Webster, der selbst mehrere Minuten ganz still dastand, als wenn er die Versammlung auf eine große ernste Neuigkeit vorbereiten wollte. Dann sprach er langsam mit der ihm eigenthümlichen und eindrucksvollen Stimme: Ich habe dem Senate eine traurige Nachricht mitzutheilen. Ein großes Unglück droht dem Lande. Der Regent der Vereinigten Staaten, der Präsident Taylor liegt im Sterben und wird wahrscheinlich den heutigen Tag nicht überleben. (...)

Am Abend dieses Tages halb elf Uhr starb der Präsident nach einem schönen und rührenden Abschiede von den Seinen.«

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27. Juni 1850

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27. Juni 1850

Fredrika Bremer

»Gestern wohnte ich einem ›Meeting‹ der orthodoxen Quäkergemeinde bei. In einem großen hellen Saale ohne irgend einen Schmuck waren ungefähr zweihundert Personen versammelt, die Männer auf der einen, die Frauen auf der anderen Seite, und darunter eine Menge Kinder. Da saßen sie nun auf Bänken und schwiegen und sahen vor sich hin, mit alleiniger Ausnahme meiner Person; ich sah mich in aller Stille genau um. Es war ein sehr heißer Tag, und das Schweigen und die Unbeweglichkeit in der Versammlung war mir drückend. Und ich dachte fortwährend: - Wird denn nicht der Geist Jemand in der Gesellschaft bewegen? - Aber nein, der Geist bewegte Niemand. Ein alter Herr hustete und ich nieste, und das Laub an einem Baume vor dem Fenster bewegte sich matt und leise.«

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