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Humboldt

28. Oktober 1815

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28. Oktober 1815

Wilhelm von Humboldt

»Ich habe Deinen lieben Brief vom 19. bekommen, geliebtes Herz. Der Erbprinz, dessen Äußerungen über Deutschland Du sehr recht hast, hübsch zu finden, wird vielleicht mit diesem Briefe schon selbt bei Dir sein. Seine Gesinnung ist immer tadellos, aber die Jugend gab ihm ehemals eine liebenwürdige Lebendigkeit, die jetzt fast auf die Gestikultion eingeschränkt ist.

Allerdings ist es eine trostlose Idee, daß es kein Deutschland geben sollte. Du hast aber sehr recht, zu sagen, daß es ein unsichtbares gibt, und ich glaube wie Du, daß es in kurzem ans Licht treten wird, aber schwerlich auf dem Wege, den man ihm vorbereitet. (…)

Friedrich Wilhelm von Schadow: Karl August von Hardenberg (1812)

Friedrich Wilhelm von Schadow: Karl August von Hardenberg (1812)

Der Verderb liegt in Deutschland und in allen Deutsch redenden Ländern in der undeutschen Art der höchsten Klassen, in dem furchtbaren und elenden Wesen, das man Gesellschaft nennt, in der schlaffen, nicht einmal sich wahrhaft auf Genuß verstehenden Üppigkeit der Lebensart, in der gräßlichen Leere des Kopfes und des Herzens. In Preußen hat das Unglück mehr Volksmäßigkeit und Einfachheit hervorgebracht, und ein besonders glückliches Schicksal gemacht, daß der König und seine Familie denselben Sinn hat. Dazu kommt der Staatskanzler, der darin wie in allen Eigenschaften, die das Wesen des Charakters treffen, untadelhaft ist. Allein darum ist auch Preußen, wie das gute und böse Prinzip, in beständigem Streit mit den übrigen Höfen, und kommt wieder (nämlich als Regierung) in Streit mit seinem eigenen Volk, weil es in jenem Streit gar nicht anders kann als oft oder wenigstens manchmal nachzugeben.«

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21. Oktober 1815

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21. Oktober 1815

Wilhelm von Humboldt

»Mich soll recht wundern, was Du zu Frankfurt sagen wirst. Wenn nur mein Aufenthalt dort, nämlich seine Dauer, nicht so gar ungewiß wäre; allein es ist unglaublich, wie sich auch darüber nichts sagen läßt.

Der Posten hier wäre, wenn man die Sache in sich, nicht wie sie ausgeführt werden wird, ansieht, von unendlicher Wichtigkeit. Die Armee, die in Frankreich bleibt, soll eigentlich den König hier halten, der sonst vielleicht nur sehr kurze Zeit sich selbst behaupten könnte. Es bleiben (unter uns) selbst in Paris fürs erste, und bis der König eine eigne Garde hat, Truppen. Alles dies kommandiert Wellington, und mehr oder weniger hat er es in Händen, ob er will marschieren lassen oder nicht, wenn hier Unruhen entstehen.

Thomas Lawrence: Sir Arthur Wellesley, Duke of Wellington (1814)

Thomas Lawrence: Sir Arthur Wellesley, Duke of Wellington (1814)

Mit dem nächtlichen Wegnehmen der Venetianischen Pferde hast du vollkommen recht. Nur der Bijou kann so etwas erfinden. Auch hat er es bei Tage vollenden müssen. Von den übrigen hat niemand so etwas getan. Ich lege Dir eine Zeitung bei, welche einen Brief von Wellington über sein Wegnehmen der Kunstsachen enthielt, der trefflich ist. Hätte er nur immer und über alles so gesprochen! Allein so ist er, immer abhängig vom Augenblick, immer persönlich und egoistisch, ein scharfer Verstand und ein eisenfester Wille, allein kein großer Kopf und noch weniger ein großer Charakter.

Mit dem armen Staatskanzler geht es noch immer nicht ganz gut. Er hat fast immer Kopfweh und ist wenig aufgelegt. Wenn ich dies und die äußere und innere Lage der Dinge bedenke, so sehe ich sehr trübe und weiß nicht, was daraus werden soll. Der gute Staatskanzler hat durch seine ganz persönliche Regierung alle Formen so auseinander gehen lassen, daß es kaum Fäden gibt, wo man Kraft und Einheit, die nicht wieder so persönlich sind, anknüpfen kann.«

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19. Oktober 1815

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19. Oktober 1815

Caroline von Humboldt

»Ich habe letztens gar nicht auf die sehr hübsche Anekdote in Deinem Brief, auf das Gespräch des Erbprinzen von Mecklenburg mit dem König geantwortet. Ich finde es außerordentlich hübsch, und es hat mich, August und die Kinder sehr amüsiert. Es ist immer gut, daß dem König dergleichen gesagt wird, wennschon ich zugeben will, daß der Erbprinz etwas weit on einem Gespräche ging, das bei Tische gehalten wurde. Das ist eine trostlose Idee, daß es kein Deutschland gäbe. Freilich gestehe ich, daß es in gewissem Sinne noch immer ein unsichtbares Reich ist, aber wer hat nicht in dieser Zeit an das Unsichtbare glauben gelernt, das über dem Sichtbaren waltet, und wer möchte nicht leugnen, daß diese Kriege, und vor allem die glänzenden Schlachten des Jahres 1813, mehr durch die heilige Glut, die in den Herzen der Kämpfenden lebte, als durch die materielle Kraft ihres Armes ausgefochten sind?

Übersicht auf das Schlachtfeld bei Leipzig, Illustration zum 50-Jahr-Jubiläum der Schlacht aus der Gartenlaube, Oktober 1863

Übersicht auf das Schlachtfeld bei Leipzig, Illustration zum 50-Jahr-Jubiläum der Schlacht aus der Gartenlaube, Oktober 1863

Ich muß mich ärgern, zu sehen, daß die Jahrestage der Schlacht von Leipzig ohne alle öffentliche Erinnerung, ohne alles Fest- und Dankgebet vorübergehen. Das ist nicht recht. Den Sinn des Volkes sollte man fortdauernd auf so große Begebenheiten richten; denn die Zeit träger Ruhe, die in unserer Kindheit war, die ist gewiß noch auf lange Zeit vorbei. Und wohl uns, daß sie vorbei ist, und im Umschwung der Dinge kann die wohl so leicht nicht wiederkommen. Das Volk, des man bedarf, ohne das man in letzter instanz eigentlich nie das Große ausführt, in dessen Sinn sollte man auch das geschehene Große recht im Andenken erhalten und es daran für die Zukunft erziehen.«

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07. Oktober 1815

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07. Oktober 1815

Wilhelm von Humboldt

»Ich habe Dir neulich von dem Auftrag geschrieben, den ich für Frankfurt habe, und Du wirst gesehen haben, daß ich ihn gerne übernehme. Ich habe wirklich eine ordentlich Sehnsucht nach Deutschland zurück, die aber im Grunde nichts ist, als eine Sehnsucht, Dir nahe zu sein. (…)

Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779-1860)

Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779-1860)

Bei Deutschland fällt mir ein Streit ein, den der König neulich bei Tisch mit dem Erbprinzen von Mecklenburg über die deutsche Kaiserwürde gehabt hat, und der von Adelheid angefangen hat. Alexander war dabei, ich nicht. Der Erbprinz, von dem man nicht leugnen kann, daß er immer sehr freundschaftlich, treu und liebenswürdig ist, hat angefangen, von unsern Kindern zu sprechen. Zuerst von Carolinens Krankheit; der König hat gesagt, daß dies die Ursache sein, wie er höre, daß Du nicht den Winter herkämst. Dann hat er von Adelheids Schönheit gesprochen, wo ihm der König beigestimmt ist, und von Gabrielen. Alexander hat gesagt, daß bei auch bewiesen hätten, daß man nicht in Deutschland von klein an zu sein brauche, um sehr gut Deutsch zu sprechen, denn beide spächen jetzt ausgezeichnet gut. Der König hat geantwortet mit einem Lächeln: "Das glaube ich, ein so deutscher Mann wie Hedemann würde keine Frau genommen haben, die nicht gut Deutsch redet." Einen Augenblick darauf aber hat er sich wieder zu Alexander gewendet und hat gesagt: "Wenn ich Hedemann einen deutschen Mann nenne, so meine ich das im recht guten Sinn und nicht, wie es jetzt so viele gibt." Hier ist nun der gute Erbprinz mit einem Stoßseufzer: "Ach! Wenn es nur recht viele gäbe!" eingefallen. Darauf ist der König in seine alten Sätze verfallen: Deutschland im ganzen sie nichts, es wären wohl Österreicher, Preußen, Bayern, nirgends aber Deutsche, im kleinsten Teil der österreichischen Staaten rede man Deutsch, in einem bedeutenden der preußischen andere Sprachen. Der Erbprinz ist aber immer dabei geblieben: Deutschland müsse eins sein, es müsse jetzt einen Kaiser haben, und der müsse der König selbst sein, und in Wien sei der Augenblick dazu dagewesen, und er habe sich schon gefreut, (und dabei hat er das Glas genommen) auf die Gesundheit eines protestantischen Kaisers trinken zu können. Vor allen Leuten war dies etwas stark.«

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02. Oktober 1815

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02. Oktober 1815

Caroline von Humboldt

»Französische Straße Nr. 42. Ich bin umgezogen und lebe noch, geliebtes Herz. Die Nacht vom 30. zum 1. habe ich zuerst hier geschlafen. (…)

Carl von Steuben: Caroline von Wolzogen (1808)

Carl von Steuben: Caroline von Wolzogen (1808)

Ich mußte über Deinen Brief lachen, daß Du mir sagst, wir wären auch sehr verliebtgewesen, und doch hätte Caroline Wolzogen sehr vergnügt und glücklich bei uns gelebt. Ach, wohl war es so, und wohl möchte ich diese goldne Zeit der Stille und Einsamkeit noch einmal leben. Aber das Vergangene bleib vergangen, und still die Zukunft erharrend, umströmt uns der mächtige Drang der Gegenwart.

Adelheid erwartet nun August, sie hat heut ein Mädchen genommen, und in acht bis zehn Tagen wird sie nicht mehr unter einem Dach mit mir schlafen. Alles Lostrennnen ist fürchterlich schmerzlich und zerreißend.

Es stürmen so viele Menschen auf mich an, mein geliebtes Leben, daß ich schließe und Dich nur noch umarmen kann. Die Kinder grüßen. Ewig Deine Li.«

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30. September 1815

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30. September 1815

Wilhelm von Humboldt

»Ich schreibe Dir, liebe Li, schon heute abend, weil ich fürchten muß, morgen nicht die gehörige Zeit zu finden. Wir haben jetzt tägliche Konferenzen über diesen leidigen Frieden, der aber doch immer nicht unter 14 Tagen zustande kommen wird. (…)

Armand Emmanuel du Plessis, Herzog von Richelieu

Armand Emmanuel du Plessis, Herzog von Richelieu

Richelieu, der jetzt allein mit uns unterhandelt, ist fast noch peinlicher, als Talleyrand mit seinen Genossen war. Diese nahmen einen hohen verneinenden Ton an, dem man leicht begegnen konnte. Dagegen ist Richelieu durchaus bittend, wendet sich nur immer an die Großmut und sagt alle Augenblicke "je vous supplie à genoux" und solche Phrasen mehr. (…)

Meine Einrichtung beschäftigt mich hier sehr. Ich kaufe nur das Notwendigste. Allein das Mieten ist so teuer, daß es gar nicht Rat ist, diesen Ausweg zu nehmen. So z.B. hat das sonst sehr gute und auch wohlfeile Haus zufällig keine Lüsters. Nun soll ein Lüster, den man für 900-1000 Franken kauft, zu mieten auf sechs Monate 180 Franken kosten. Da ist er in zweieinhalb Jahren bezahlt. Ich werde vermutlich zwei kaufen. Über ein Porzellanservice bin ich im größten Handel. Alle Berliner sagen mir, daß das hiesige wohlfeiler ist. Allein auch nicht sehr schön, aber mit 15 Dutzend Tellern und einem vollständigen Dessert, doch ohne Schüsseln und Terrine, wird es immer gegen 2500 Franken kosten. Außerdem braucht man einen Surtout mit Bronzen, da sonst nichts hier Mode ist, was auch ungefähr daselbe kostet. Am wohlfeilsten sind Gläser. Für 3-400 Franken hat man viel und schöne. Aber bei Küchenzeug fällt man beinah in Ohnmacht.«

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23. September 1815

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23. September 1815

»Die Sachen, die ich Dir schicke, sollen Dir, denke ich, gefallen. Du kriegst nun zwölf gestickte Schnupftücher, mit "v. H." zu 132 Franken, drei Stück aus Battist zu 12 Ellen jedes, zu 8 Franken die Elle. Freilich ist der zu den gestickten Schnupftüchern, bei denen auch einige Überreste sind, feiner, er kostet aber auch 11 Franken 10 Centimes die Elle, zwei ungemachte gestickte Perkalekleider, eins zu 260 Franken, das andere zu 235 Franken, die mir sehr hübsch erscheinen. Unter 200 Franken hat man nichts Ordentliches, es gibt aber bis zu 500 und 600 Franken. Endlich sechs Paar seidene Strümpfe mit ganz durchbrochener Arbeit unten zu 14 Franken das Paar, was ich sehr wohlfeil finde.

Sachen hierher brauche ich allerdings höchst nötig, vorzüglich drei Artikel. 1. Bettwäsche, 2. Tischwäsche, 3. mein Silber, bis auf das, was du brauchst. Könntest Du durch den kleinen Postmeister oder die Kuriere einiges schicken, so bitte ich um Tischwäsche und Silber, nur müßte es sicher gehen. Fuhrmannsangelegenheiten, fürchte ich, sind noch nicht sicher. Ich bin jetzt noch unentschieden, ob ich einen Koch nehme oder einen Kontrakt mit einem Restaurateur schließe. Ein Koch ist angenehmer, allein ich muß dann Küchenzeug kaufen.«

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Modebild "Pariserin mit breitkrempigem Hut und Spitzentuch, Perkalekleid und Schirm"; 1822; kolorierter Kupferstich (Wien Museum/CC BY-NC-SA 3.0)

Modebild "Pariserin mit breitkrempigem Hut und Spitzentuch, Perkalekleid und Schirm"; 1822; kolorierter Kupferstich (Wien Museum/CC BY-NC-SA 3.0)

Modebild "Pariserin mit festlicher Frisur, Schmuck und Perkalekleid mit Stickereien"; 1822; kolorierter Kupferstich (Wien Museum/CC BY-NC-SA 3.0)

Modebild "Pariserin mit festlicher Frisur, Schmuck und Perkalekleid mit Stickereien"; 1822; kolorierter Kupferstich (Wien Museum/CC BY-NC-SA 3.0)

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13. September 1815

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13. September 1815

»Die Sachen werden hier noch immer mit einer Schnelligkeit betrieben, von der man glauben sollte, daß sie in sehr kurzem zum Ziele, was ich hier nur das Ende nenne, führen müßte. Die Souveräne werden vom Kaiser Alexander gedrängt, weil es nicht anständig sein würde, daß sich hier die Kammern versammelten (sie kommen am 25. zusammen), wenn die Souveräne noch hier wären. Die Kammern aber versammeln sich, weil Ludwig XVIII. hier ist, und von diesem ersten falschen Schritt, den Wellington (unter uns) mit Pozzo di Borgo gemacht hat, stammt das meiste Übel. Metternich benimmt sich in dieser letzten Zeit noch ausgezeichnet schwach und doppelsinnig. Was auch herauskommen mag, so wird es ein halbes, schlecht angelegtes Werk sein, eine Art Waffenstillstand, von dem man kaum wird voraussehen können, wie lange er dauern wird. Der Kanzler hat noch getan und tut noch, was nur irgend möglich ist. Eine uns günstigere Richtung gibt er der auch auch gewiß, allein die Hauptsachen sind nicht zu ändern. Es ist mir sehr leid, auch aus Deinem Briefe wieder zu sehen, daß der Staatskanzler wirklich nicht geliebt ist. Das ist aber bloß den Umständen, den übertriebenen Erwartungen der immer frondierenden Menge und der Verblendung, in der man jetzt ist, zuzuschreiben. Ich bin daher auch überzeugt, daß es sich geben und besser werden wird, wenn er nach Berlin zurückkommt.«

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Louis-Philippe Crépin: Louis XVIII relevant la France (im Hintergrund Zar Alexander I., König Friedrich Wilhelm III., Kaiser Franz I. und König George III.)

Louis-Philippe Crépin: Louis XVIII relevant la France (im Hintergrund Zar Alexander I., König Friedrich Wilhelm III., Kaiser Franz I. und König George III.)

Thomas Lawrence: Fürst Klemens Wenzel von Metternich (1815)

Thomas Lawrence: Fürst Klemens Wenzel von Metternich (1815)

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07. September 1815

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07. September 1815

Caroline von Humboldt

»Indem ich das Datum schreibe, bekomme ich Deine Nr. 21, mein teuerstes Herz. Adelheid und Gabrielle sind seit Dienstag früh in Tegel.

Schloss Tegel (zw. 1857 und 1883), Sammlung Duncker

Schloss Tegel (zw. 1857 und 1883), Sammlung Duncker

Es sind auch zwei Briefe von August an Adelheid mit dem Kurier gekommen, die ich ihr soeben mit dem Milchwagen hinausspediert habe. In diesen, hoffe ich, wird August ihr seine wahre Meinung über das Sein hier an den Tag geben, und den Rückklang werde ich bekommen, wenn ich Adelheid sehe, die ich Sonntag in Tegel abholen werde. Denn ich habe August deutlich meine Absicht gesagt, nach Paris zu gehen, wenn er zurückkäme und die Zügel des häuslichen Regiments übernähme. Daß er mir darauf noch nicht geantwortet, daß er, seitdem er diesen Brief haben muß, seiner Mutter dringend um ein Quartier zum 1. Oktober geschrieben, ist mir ein leiser Wink, daß dies Arrangement ihm nicht lieb ist. Was Du mir nun in Deinem eben heut empfangenen Brief sagst, war mir nicht ganz unerwartet. Doch ist es mir, ich kann es nicht leugnen, schmerzlich. Das schönste und vollständigst Sein in einem Menschen ist, wenn er die Bedürfnisse seines Herzens mit dem Leben in eine Harmonie zu bringen vermag. (...) Was heißt das eigentlich, er müsse die Zeit so benutzen, damit er und Adel sich im tiefsten Herzen erkennten usw. Die Liebe, das Erkennen, das aus ihr hervorgeht, ist keine Wissenschaft, sondern eine Flamme, die mächtig das Innere belebt und ergreift und auf alle Äußere einen heiligen Glanz wirft.«

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06. September 1815

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06. September 1815

Wilhelm von Humboldt

»August ist heute früh mit dem Prinzen von hier abgereist. Sie gehen zum General Bülow, wo auf einem Schloß Villebon, das Sully bewohnt haben soll, ein Fest zur Feier der Schlacht von Dennewitz gegeben werden soll. Vermutlich besucht dann der Prinz auch seine eignen Truppen und kommt etwa in fünf Tagen wieder zurück. Er behauptet, dies ganz unter uns, zu wissen, daß Gneisenau dagegen arbeitet, daß sein Prinz an den Rhein komme. Da dies nun auch in die Pläne mit Adel einschlägt, so kannst Du denken, daß er das gar hoch aufnimmt. Kurz alles, was man bei ihm berührt, dreht sich um die liebe Kleine, und wir sind wirklich mehr als gewöhnlich glücklich gewesen auch darin, dies so zu finden. Denn so rein, so treu, so tief und so gar nicht selbstsüchtig leidenschaftlich einer Frau ergeben zu sein, ist unendlich selten.

Hilaire Thierry: Empire Salon (um 1820)

Hilaire Thierry: Empire Salon (um 1820)

Auf dein Kommen rechne ich ganz gewiß, süße Seele. Ich höre auch jetzt nichts von der Unsicherheit der Straße auf dieser Seite. Ich habe ein Haus so gut als gemietet in der Rue de Lille Nr. 53 vom 1. Oktober an auf sechs Monate. Es ist ein ganzes Haus, wo nur wir darin sind, entre cour et jardin. Die unterste Etage ist ganz in Seide, reich und geschmackvoll möbliert, und die Meublen so gut als neu. Für dies Haus mit den Meublen gebe ich für sechs Monate 8000 Franken. Du wirst sagen, daß ich noch hätte warten können und wahrscheinlich einen oder zwei Monate für Miete wohnen werde, wo ich einquartiert zu wohnen fortfahren könnte. Aber ich habe ganz auf Dein Kommen gerechnet, und mit seiner Frau ganz breit einquartiert zu leben, ob es gleich all unsere Staats- und Geheimen Staatsräte und Bülow, und ich weiß nicht wer tun, geht ganz gegen meine Empfindung.«

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19. August 1815

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19. August 1815

Wilhelm von Humboldt

»Ich habe gestern, liebe Li, Deinen Brief vom 10. bekommen und kann Dir nicht genug sagen, welche unendliche Freude er mir gemacht hat, da er mir die Hoffnung Deines früheren Herkommens gibt. (...)

Schalträgerinnen, Frankreich Anfang 19. Jahrhundert

Schalträgerinnen, Frankreich Anfang 19. Jahrhundert

Bei dieser Gelegenheit muß ich Dir von Deinen Kommissionen der Schnupftücher und Schals sprechen. Die Schals sind gekauft. Für die Schnupftücher mit Hohlnaht und so gestickt, wie Du verlangst, hat man 16-18 Franken für das Stück gefordert. Dies würde für 8 Dutzend, die du wolltest, 1536-1728 Franken machen, zwischen 400 und 500 Taler. Darüber hat sich August entsetzt, und wir sind übereingekommen, Dir erst zu schreiben. So machten wir es heute früh ab. Seitdem habe ich dies der Delambre erzählt, und sie will eine Person fragen, die für eine lingère arbeitet. Wie eine Hohlnaht französisch heißt, habe ich noch nicht ergründen können. (...)

Du erwähnst der Summe, die wir Adelchen jährlich geben wollen. Meine Meinung ist, daß wir 500 Taler als gewiß ausmachen, aber Hedemann sagen, daß wir sie, nach unserer Möglichkeit, bis 1000 Taler, wie wir können, vermehren wollen. Jetzt könnten wir soviel geben, allein wenn Gabriele auch heiratet, oder wir weniger Gehalt hätten, ginge es nicht. Du, die Du soviel reicher warst als Adelheid ist, kriegtest nur 400 Taler. Es ist bis 1809 so gewesen, wo wir wirklich manchmal in recht fatalen Umständen waren, und wir haben lange Zeit ganz unabhängig, die übrige mit schlechtem Gehalt gelebt, und ich habe Dich an die Säulen des Herkules, nach Pästum und nach Arkona gebracht.«

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14. August 1815

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14. August 1815

Wilhelm von Humboldt

»Noch wohne ich bei Davout, aber übermorgen ziehe ich Rue de l'université 17. Ich wohne aber nicht gern bie andern Leuten und macht sehr ernstliche Anstalten, ein eigenes Haus zu nehmen. (...) Die Armee an der Loire hat sich großenteils aufgelöst, und Davout ist seit einigen Tagen ruhig hier im Hause. Da er aber nicht zu mit gekommen ist, habe ich ihn nicht gesehen.

Also hast Du illuminiert zu des Königs Geburtstag? Ich sehe zwar hier den König selten. Nur einmal habe ich bei ihm gegessen, und zweimal habe ich ihn in Gesellschaft gesehen, ber der Herzogin D. und bei Wellington. Er war aber immer sehr freundlich.

Hortense de Beauharnais: Charles de la Bedoyere (vor 1815)

Hortense de Beauharnais: Charles de la Bedoyere (vor 1815)

Gestern ist Labédoyère zum Tode verurteilt worden. Er wird zwar appellieren, aber man weiß schon voraus, daß dies keine Änderung hervorbringen kann. Er wird also in einigen Tagen füsiliert werden. Es ist gewiß gut, daß dies Beispiel gegeben wird. Ney ist auch verhaftet und wird bald hergebracht werden. Er wird ohne Zweifel das gleiche Schicksal haben. Die Frau des Labédoyère hatte die rührendsten Briefe geschrieben, auch unter anderm an Alexander. Sie soll ihn wirklich sehr lieben, ist erst eben ein Jahr verheiratet und vor kurzem mit einem Kinde niedergekommen, das sie noch stillt.«

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05. August 1815

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05. August 1815

»Es macht mir unendliche Freude, daß August hier ist. Ob ich gleich ensetzlich zerstreut und beschäftigt bin, so sehe ich ihn doch ziemlich viel. Ich esse noch heute mit ihm und Alexander allein bei einem Restaurateur, gestern wurde ich verhindert, es zu tun, weil der König mich einlud. Er ist unendlich liebevoll, und mit jedem Tage freue ich mich mehr, daß sich die Sachen zwischen ihm und Adelheid so gut und schnell gemacht haben. (...)

Soeben bekomme ich Deinen lieben Brief. Mit Deinem Herkommen, sehe ich nun schon deutlich, wird es diesen Winter vor dem Frühjahr nichts werden, und muß, wie sehr es mich schmerzt, selbst Deiner Meinung beistimmen. Aber die Trennung ist mir unendlich schmerzlich, und Du mußt es an dem Glück gesehen haben, das ich fand, die wenigen Tage bei Dir zu sein. (...)

Meine Lage hier ist in wenigen Worten die: Ich halte beständig fest an allen ebenso richtigen als natürlichen Grundsätzen. Ich streite für einen Frieden, der die Grenzen sichere, ich streite für eine Benutzung Frankreichs, die unseren Bedürfnissen entspreche. Ich habe gegen mich Rußland aufs äußerste, England fast ebensosehr, und sehr schwache Hilfe, höchstens noch für den letzten Punkt, an Österreich. Der Kanzler ist eines Sinnes mit mir, aber es nicht mehr die gewohnte Kraft. (...) Nur eins habe ich erreicht, mit den zugleich ganz Gutgesinnten und Gemäßigten, wie Gneisenau, bin ich vollkommen eins. (...) Auch mit Blücher, Grolman und Boyen bin ich gut. Sie haben Achtung, und ich kann auf sie wirken. So, teures Wesen, steht es mit mir. Du siehst, daß es ein ziemlich freudloses Leben ist. Aber ich suche die Freude selten außerhalb, und den Genuß meiner selbst und meiner Einsamkeit, die ich sogar in der Gesellschaft wiederzufinden weiß, habe ich auch hier, und so bin ich gesund und immer heiter.«

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22. Juli 1815

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22. Juli 1815

»Du wirst aus meinem vorigen Brief gesehen haben, daß ich hier bin und auf alle Fälle einige Monate hier bleiben muß. Es ist mir sogar wahrscheinlich, daß ich hier als Gesandter bleibe. (...) Meine Lage hier ist gar nicht lieblich, sehr schwierig und nicht leicht dahin zu bringen, wo es wünschenswert.

Der arme Kanzler ist unpäßlich und sehr schwach. Mit Gneisenau bin ich gut und tue was ich kann, um dies Vernehmen zu unterhalten, kann aber nicht ganz mit ihm übereinstimmen. Die Höfe, die mit uns handeln, haben ganz andere und zum Teil alberne und schlechte Grundsätze. Kurz, überall Schwierigkeiten und nirgends ordentlich, treue, wahrhaft verständige und leidenschaftslose Hilfe, sie zu überwinden.

Indes bin ich demungeachtet gesund und heiter. Du weißt, daß ich mich nicht fortziehen lasse, sondern bleibe, wie ich bin. Ohne diese Selbstständigkeit möchte ich lieber begraben sein, als so leben. Wieviel Du, mein süßes, teures Wesen, mir dabei hilft, weißt und begreifst Du nie. Dein teures Bild ist mir immer ganz gegenwärtig, ist mir eine Zuflucht und Sicherheit überall. (...) Leb wohl Du Einziggeliebte.«

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09. Juli 1815

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09. Juli 1815

»Ich bin heute vormittag hier angekommen, liebe Li. (...) Der Fürst hatte bestellt, daß, wie man erführe, daß ich käme, man ihn holen ließe. Er war auf der Jagd. Er kam eine Viertelstunde nach meiner Ankunft zu Wiese und hielt mich über eine Stunde auf. Du kannst Dir nicht denken, was er alles durcheinander gesprochen hat. Ich werde Dir ein andermal einiges schreiben, es ist zu merkwürdig. Unter anderem sagte er mir, ich wäre der gescheiteste Minister des Kongresses gewesen, setzte gleich hinzu: er könne das zwar gar nicht beurteilen, und darum könnte ich von ihm es immer annehmen, bewies es mir aber dadurch, daß es ihm sein Büchsenspanner gesagt habe, als er sich durch diesen habe den Brief, worin ihm meine Ankunft gemeldet sei, vorlesen lassen. (...)

Ich habe hier das Einrücken Blüchers am 3. in Paris erfahren und mich unendlich gefreut, daß er der erste da ist. Er hat, wie das Bulletin sagt, die Anhänger Bonapartes verhaften lassen. So geschieht endlich einige Gerechtigkeit. Nur Napoleon selbst ist doch entkommen.«

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