Johann Joseph von Khevenhüller-Metsch
»Mittags hatte ich mich bei meiner Schwester ansagen lassen. Unter dem Essen bekamme ich ein Billet von meiner Frauen, welche zu Schönbrunn gespeiset, worinnen mit selbe meldete, daß die Kaiserin einige Vorbotten bevorstehnder Entbindung zu spühren angefangen und dahero für gutt befunden worden, die auf morgen bestimmte, lezte Aderlaß noch heut vorzunehmen.
Bei solchen Umständen eillte ich sogleich nacher Schönbrunn und kamme noch vor den Rosencrantz an, fande aber, daß mann sich der Entbindung vor Mitternacht nicht vermuthete, wie dann die Kaiserin noch unter den ersten Seegen auf den kleinen Gang heraussen, nächst dero Anlegzimmer gestanden (...). Zun End des Rosencranzes gienge der Kaiser mit mir und noch ein paar Männern in Garten spatzieren und sagte uns, wie die Kaiserin zwar seit mittags einige Wehen empfindete, allein weillen sie immer auszusetzen pflegten, so würde ihrer Gewohnheit nach wohl schwärlich vor Mitternacht oder Anbruch des Tags etwas daraus werden.
Kaum aber waren wir eine kleine halbe Stund herumgegangen, als ein Cammerherr dahergeloffen kamme, um dem Kaiser in Nahmen derer in der Cammer befindlichen Frauen eillend herbeizuruffen; welcher dann auch sofort nebst unß mit starcken Schritten zuruckeilte. (...)
Mann sahe eine große Bestürtzung an der Princesse und einer andern aus der Cammer zur Capellen durchpassirten Dame, welche leztere mir nur dise paar Worte lachirte: nous avons un enfant foible, mithin ware alles in gröstem Allarme. Mann schaute sich einander an, ohne fast zu sprechen, und wolte niemand der erste sein, die sich vorzustellende üble Nachricht zu vernehmen (...), als mann mich zu den Kaiser holte.
Disen fand ich schreibend und - wie wohl nicht anderst möglich - mit sehr bestürtzten Gesicht; er sagte mir: vous irez à Hezendorff porter cette lettre à l'impératrice mère; und nachdeme er den Brieff gesigelt, fügte er noch mit wenigen bei: vous scaurez déjà ce qui est arrivé, j'ai seilement peur pour l'impératrice qui croit que l'enfant est mort sans batême, et jette de haut cris. (...)
Bei meiner Zuruckkunfft zu Schönbrunn ware mann von dem ersten Allarme schon in etwas zuruckgekommen und ware von der vorbeigangenen Catastrophe so villes bekannt worden, daß I.M. gegen halb 5 Uhr mit einer Ertzherzogin, jedoch insoweit unglücklich genesen seie, daß - weillen das Kind nicht wohl gewendet und zuerst mit denen Füsselen gekommen - die Hebamme es sofort nothgetauffet und selbes hierauf nach gar wenig Minuten (...) verschieden. Weillen die Kaiserin sich auch mehrers herbeigegeben und, Gottlob, bei ihro nicht die geringste Gefahr sonsten sich äußerete, fande sich der Calme nach und nach wiederumen ein.
Der Kaiser befahle sodann, daß mann wegen der Begräbnus nachschlagen und nach Befinden das behörige veranstalten solle (...). Anbei meldete unß der Kaiser, wie die Kaiserin kein Gala haben wolte, obzwar mein Schwager und ich aus der Ursach auf einen eintzigen Gala Tag (indeme sonsten bei glücklicher Entbindung auf drei Täge Gala angesagt zu werden pflegt) angetragen, damit doch die Entbindung selbsten - aus Rücksicht auf die höchste Kindlbettnerin und dero hohes Wohlsein - einigermaßen honoriret und das Vergnügen über diesen lezteren Umstand marquiret werde.
Das Unschicksammste hierbei ware, daß ungehindert keine Gala sein sollen, mann doch denen Dames befohlen, in Appartement Kleidern die erste drei Täge (wo die Hoff Dames par conséquent en robbes sein musten) zu erscheinen, worbei noch die Confusion unterloffen, daß mann theils Dames von reichen, und anderen von glatten Hoff Röcken gemeldet. Allein so gehet es immer, wann keine ordentlich und legale Etiquette ist, wie es leider an unseren Hoff dermahlen zugehet, wo ein jeder schaffen und hoffmeisteren will und, nach dem Sprichwort, niemand mehr weis, wer Koch noch Kellner seie.«