Viewing entries in
Friedrich III.
»Einleitung der Belagerung. Delbrück kommt, Bayern will auf die Bedingungen für Eintritt in den Norddeutschen Bund eingehen, nur Militär und Diplomatie vorbehalten. Die Minister sind unter sich uneinig und berufen sich auf widersprüchliche Aeußerungen des Königs, der sich mit Delbrück 1 1/2 Stunde über Gegenstände, die sich meist auf dessen Mission nicht bezogen, unterhielt, er studirt die Infallibilität. Bismarck ist sehr erbost auf Schneider, der tactlose und falsche Dinge in den Staatsanzeiger bringt. Herzog Friedrich geht zu v. d. Tann, glaubt, es werde zu Nichts kommen, und findet in Versailles die Nachricht von Artenay. Bismarck erzählt mir, daß Chambord und Ollivier an Se. Majestät geschrieben, ersterer würde dem Rufe seines Volkes Folge leisten, aber keine Landabtretungen zugeben. Ollivier gesteht, zum Kriege gerathen zu haben, warnt aber Abtretungen zu verlangen. Der Eine vermag Nichts, der Andere hat Alles verschuldet, und Beide wagen dem Sieger Rathschläge zu geben! St. Cloud in Flammen. Burnside kommt wieder aus Paris, deputirt von der Regierung, die ohne jeden vernünftigen Gedanken handelt, auf keine Bemerkung hört und ohne Plan den Krieg fortsetzt, um sich im Amt zu erhalten. Bazaine will seinen Stabschef zu Unterhandlungen militärisch-politischer Art senden, Bismarck will ihn hören, Roon und Moltke nicht, uneinig unter einander, werfen sie sich vor, keine Mittheilungen zu erhalten, Friedrich Karl ist dagegen, weil er fürchtet, die Capitulation könne in Versailles abgeschlossen werden. Der König von Württemberg will direct mit uns unterhandeln, um nicht in Bayern's Schlepptau zu erscheinen. Bismarck faßt die Kaiserfrage in's Auge, sagt mir, er habe 1866 gefehlt, sie gleichgiltig behandelt zu haben, er habe nicht geglaubt, daß das Verlangen im deutschen Volke nach der Kaiserkrone so mächtig sei, als es sich jetzt herausstelle, und besorgt nur Entfaltung großen Hofglanzes, worüber ich ihn beruhige. Der Herzog von Coburg will Wahl durch die Fürsten, die an die Stelle der Kurfürsten treten.«
»Nach Ferrières, einer Commode zu vergleichen, die mit den Beinen nach oben steht, inwendig ein Raritätencabinet mit Luxus ohne Sinn. Favre ist dankbar für seine Behandlung, hat unseren Offizieren einen vortheilhaften Eindruck hinterlassen, lehnt jedoch unsere Forderungen in einem Schreiben ab. Eindruck Sedans und der Republik auf Oesterrreich, der Kaiser von Rußland sendet Moltke den St. Georgs-Orden.
Vor drei Jahren fuhr ich mit der Kaiserin Eugenie im Park von Versailles spazieren! Taufwagen des Herzogs von Reichsstadt, des Grafen von Chambord, des Grafen von Paris, des Prince Imperial. Feierlicher Gottesdienst im Freien, imponirt den Franzosen. Ausflug nach St. Cloud, Bild der Ankunft der Königin Victoria, wo die Kronprinzessin zuerst auf dem Continent war, am Ende zerstören die Franzosen es selbst! Auf dem Conseiltisch, wo der Entschluß zum Kriege gefaßt wurde, lagen Abbildungen der preußischen Armee, Charpie in Körbchen, Einladungskarten der Impératrice Régente. Die Einrichtung ist reizend und luxuriös.«
»Coulommiers. Armeebefehl auf Einschließung von Paris, nach Meaux zum Hauptquartier. Favre durch englische Vermittlung angemeldet, Bismarck stimmt zu, man müsse ihn hören, um ihn kennen zu lernen. Bayern, einem Ministercongreß nicht abgeneigt, hat zunächst dringend gebeten, Delbrück möge kommen. Gortschakow gegen die Abtretung des Elsaß. Napoleon ist erstaunt über die gute Behandlung in Wilhelmshöhe! Was mag er nur anders erwartet haben? (...) Boyen sagt, die Haltung des Publicums sei überall tactvoll gewesen, er habe unsere Landwehrwachen bewundert. Die Republik setzt sich fest, ohne Aufsehen zu machen, der Maire von Coulommiers sagt, schon durch Ollivier sei Napoleon's Stellung unhaltbar geworden. Isle de France ist ein herrliches Land, das Landvolk macht einen günstigen Eindruck, die Leute thun komische Fragen, befühlen meinen Stern.«
»Sedan. Graf Bothmer bringt Nachricht, Napoleon sei in Sedan; der König sagt mit ungläubigem Scherz zu mir, was wir wohl mit Napoleon machen sollten, wenn er gefangen? Die weiße Fahne geht auf Sedan auf, Napoleon ist da, Bronsart hat ihn gesprochen, dem er gesagt, er werde General Reille schicken. Mißglücktes Hurrah, es entsprach der Größe des Ereignisses nicht, vielleicht wußte man auch nicht, ob es ein Glück sei. Ein Parlamentär kommt, die anwesenden Fürsten bilden mit Bismarck, Moltke und Roon einen Kreis um den König, ich neben Sr. Majestät.
Reille erscheint, gebeugt, aber nicht würdelos, und bringt dem König folgenden Brief: "Monsieur mon frère. N'ayant pas pu mourir au milieu de mes troupes, il ne me reste qu'à remettre mon épée entre les mains de Votre Majesté. Je suis de Votre Majesté le bon frère Napoléon. Sedan 1 Sept. 1870." Nach einer Besprechung mit Bismarck, Moltke und mir dictirt der König Hatzfeld den Entwurf der Antwort, die später eigenhändig geschrieben wird. Mühe, Schreibmaterialien zu finden, mein Schreibpapier mit Adlerstempel aus der Satteltasche, Großherzog von Weimar gibt Tinte und Feder, zwei Strohsessel bilden den Tisch, auf den Gustedt seine Husarentasche als Platte legt.(...)
Inzwischen unterhalte ich mich mit Reille; ein liebenswürdiger, im besten Sinne vornehmer Mann, er war mit 1867 attachirt, meine Theilnahme that ihm wohl, der Prince Imperial ist nicht da. Als er fort war, fielen der König und ich uns um den Hals, die Erinnerung an den 3. Juli drängte sich uns auf, ungeheurer Jubel der Truppen. "Nun danket alle Gott," ich konnte die hellen Thränen nicht zurückhalten.«
»Steinmetz scheint ohne Veranlassung York spielen zu wollen. Den König wieder gesehen, der wieder fester; ich setze mit Mühe durch, daß das eiserne Kreuz auch Nichtpreußen verliehen wird. Wechselnde Nachrichten über den Marsch des Feindes, Moltke meint schon, ihn in eine Mausefalle zu bringen. Gallifet schreibt, die Abdankung sei unvermeidlich, die Republik wahrscheinlich. Benedetti's Projekt schadet uns in England, er hätte sich ohne Bismarck's Ermuthigung keine solche Sprache erlaubt. Die 87jährige Madame de Boullenois trägt mir Empfehlungen an meine Frau auf, die sie als treffliche Mutter, Hausfrau und Landwirthin bewundere, das Leben hier ist das eines einfachen château.«
»Ganz deutsche Eindrücke, die Bewohner den Schwarzwäldern ähnlich, verstehen kein Französisch, das erst seit zwanzig Jahren gelehrt wird. Der Unterschied der Confession macht sich geltend. Sehr bemerkenswerth ist, daß die Katholiken im Elsaß schon lange davon redeten, es werde noch in diesem Jahre zum Kriege kommen, der sich nach Deutschlands Niederlage gegen die Protestanten wenden werde; diese Aueßerungen wiederholten sich täglich aller Orten. Quartier beim evangelischen Pfarrer Haun, der die Auflösung der Flucht schildert, er wünscht Frieden; wir hätten nicht Schuld, die Kaiserin und Ollivier sollten sich einmal Schlachtfelder ansehen. In Mac-Mahon's Wagen fand sich eine genaue Aufnahme der Vogesen nebst Angabe aller Verbindungen, was uns sehr zu Statten kommt; im Gepäck Ducrot's, des Commmandanten von Straßburg, fanden sich Anzüge zweier Damen.«
»Weißenburg. Unsere Leute benehmen sich, jede Terrainfalte benutzend, wie bei jeder Felddienstübung im Frieden. Unverhohlen entfiel auch unseren bayerischen Begleitern das Lob, ebenso für unsere Soldaten wie für ihre Fechtart. Thor der Stadt eingeschlossen, dieselbe genommen, damit ist ein fester Platz und die Beherrschung der nach Straßburg führenden Eisenbahnen und Straßen gewonnen. Wir hatten zusammen zwei Divisionen, der Feind eine, die theilweise erst Nachts eingetroffen, aber er hatte den außerordentlichen Vortheil des Terrains. Großer Jubel, Sterbende und Schwerverwundete richteten sich mit größter Kraftanstrengung auf, um ihre Freude zu erkennen zu geben. Die Fahne des Königsregiments ward durch den Schaft getroffen, drei Träger fielen, bis Sergeant Förster den Stürmenden voran die Höhe erreichte, ich mußte jenes glorreich hochgehaltene Siegesbanner an meine Lippen drücken. Am südlichen Abhange wurden zwei Zeltlager aus tentes d'abri mit unberührtem Mittagsessen und Mundvorrath genommen, an General Douai's Leiche kroch sein Hündchen herum, die schwatzenden französischen Aerzte wußten nichts von der Genfer Konvention, hatten auch keine Binden mit rothem Kreuz und riefen nur: Procurez-nous notre bagage. Die Turcos sind die richtigen Wilden, Quartier bei Pfarrer Schäfer in Schweighofen. Französische Soldaten sagen mir: Ah, vos soldats Prussiens se battent admirablement.«
»Ueber Nürnberg nach München, König Ludwig auffallend verändert, seine Schönheit hat sehr abgenommen, er hat die Vorderzähne verloren, bleich, nervös unruhig im Sprechen, wartet die Antwort auf Fragen nicht ab, sondern stellt schon, während man antwortet, weit andere Dinge betreffende Fragen. Er scheint aus vollem Herzen bei der nationalen Sache zu sein, allgemein wird sein rascher Entschluss gelobt, er hat ohne Bray's Wissen die ihm von Pranckh vorgelegte Mobilmachungsodre gezeichnet. Begeisterter Empfang. Zu meiner Überraschung ist Herzog Friedrich hier, und zwar als eben ernannter bayerischer General, ein Übergangsstadium zur Annäherung an uns. Offener Brief, geht zunächst wieder nach Hause zur Regelung seiner Gutsverhältnisse. Usedom und Hohenlohe zweifeln nicht an Oesterreichs Neutralität trotz Beust's Zweideutigkeit. Empfang im Theater, Wallenstein's Lager. Der König meint, Schiller habe viel demokratische Tendenzen, und glaubt, daß man deshalb in Berlin nicht gern sein Denkmal aufstellen lassen will. Bei der Abreise erhalte ich einen Brief von ihm, die Selbstständigkeit Bayerns möge beim Frieden gewahrt werden.«
»Unterredung mit Bismarck, der am 12. spät aus Madrid die Nachricht vom Verzicht des Erbprinzen erhielt, wodurch er den Frieden für gesichert hält, will zurück nach Barzin, scheint überrascht durch die Wendung in Paris. Gortschakow ist auch friedlich, wenngleich er eben die Nachricht erhalten, Frankreich verlange Garantien für die Zukunft, man müsse dies abwarten, doch werde auch dieser Punkt seine Erledigung finden. Er bewunderte unser Benehmen, das des Erbprinzen und unserer Presse, er werde Sorge tragen, daß die großen europäischen Cabinette dies anerkennen. Ich höre indeß aus Paris, Napoleon habe einem seiner ehemaligen Minister gesagt, im gegenwärtigen Augenblick seien Spanien's Angelegenheiten gleichgültig, es handle sich um den Kampf über den Besitz der Macht zwischen Preußen und Frankreich.«